Die Regulation des Immunsystems mit Hilfe der Mykotherapie

Pilze werden in Asien schon seit Jahrtausenden zur Linderung und Heilung zahlreicher Krankheiten verwendet. Mittlerweile belegen auch viele wissenschaftliche Studien ihre Immunsystem stabilisierende, Tumor hemmende und zellerneuernde Wirkung. Sie enthalten eine Vielzahl an ernährungsphysiologisch wichtigen Substanzen. Eine therapeutische Verwendung (Mykotherapie) wird mittlerweile dadurch gewährleistet, dass sie als Nahrungsergänzungsmittel in konzentrierter Form erhältlich sind.

Je nachdem, welches Organsystem besonders geschwächt ist und in seiner Funktion unterstützt werden muss, werden Pilze individuell eingesetzt. Ihre Bedeutung wächst z.B. in der Immuntherapie bei Krebserkrankungen, bei Allergien, Hauterkrankungen, entzündlichen Prozessen und Autoimmunerkrankungen. Auch das Metabolische Syndrom (Wohlstandssyn-drom) als Kombination von Adipositas, Diabetes, Gicht, Hyper -, Dyslipoproteinämie und Hypertonie kann durch die Einnahme von medizinisch wirksamen Pilzen positiv beeinflusst werden. Da Herz-Kreislauf-Erkrankungen infolge des Metabolischen Syndroms weit verbreitet sind, bietet sich auch hier eine bedeutungsvolle Einsatzmöglichkeit.

Die wichtigsten Wirk- und Inhaltsstoffe medizinisch wirksamer Pilze

Die Wirkung der Pilze auf das Immunsystem wird durch Beta-Glukane maßgeblich beeinflusst. Beta-Glukane sind langkettige Polysaccharide, die in unterschiedlicher Konzentration in allen Pilzen enthalten sind. Sie liegen abhängig von der Pilzsorte in verschiedenen chemischen Strukturen vor, wobei die komplexeren Beta-Glukane eine breitere Wirkung auf das Immunsystem haben. Dies erklärt auch die unterschiedlich starke Wirkung der einzelnen Pilze auf das Immunsystem. Während der Shiitake z. B. Lentinan enthält, weist der Coriolus versicolor Krestin (PSK) auf und der Maitake enthält Grifolan und die D-Fraktion.

Die Wirkung von Beta-Glukanen wurde bereits in vielen Studien ausführlich untersucht. Da sie in ihrem Aufbau bestimmten Molekülen in der Zellmembran von Bakterien ähneln, bewirken sie eine Art "Training" des Immunsystems. Außerdem setzt die Wirkung der Beta-Glukane an verschiedenen Stellen des Abwehrsys-tems an: Die zelluläre Abwehr wird durch eine Vermehrung, Aktivierung und Differenzierung von Makrophagen, Monozyten, natürlichen Killerzellen, T - und B - Lymphozyten angeregt. Somit kommt es indirekt aber auch direkt zu einer verstärkten Bildung von Antikörpern und Zytokinen (Interferon, Interleukin und Tumor-Nekrose-Faktor). Das Abwehrsystem wird in seinem Kampf gegen Bakterien, Viren und Pilze unterstützt.
Besser resorbiert werden Polysaccharide in der Kombination mit kleinen Mengen Vitamin C (30 mg sind ausreichend).

Neben den Beta-Glukanen treten in Pilzen noch Triterpene (zyklischer Kohlenwasserstoff) als wichtige Inhaltsstoffe auf. Zu den Triterpenen zählen z. B. Steroide wie Gallensäure, Ste-roidhormone, Glykoside oder Vitamin D - vermutlich der Grund für die dem Kortison und Al-dosteron ähnliche Wirkung einiger Pilze. Triterpene verhindern die Vermehrung von Viren und reduzieren die Ausschüttung von Histamin. Sie sorgen weiterhin für eine Senkung des Blutdrucks durch die Hemmung von ACE und reduzieren den Cholesterinspiegel.

In vielen Studien werden oft nur einzelne Inhaltsstoffe der Pilze untersucht, die aber nicht den komplexen Wirkmechanismus der Pilze wiederspiegeln. Sie geben jedoch Hinweise auf bestimmte Einsatzmöglichkeiten. Doch gerade die Komplexität ihrer Wirkungsweise, die besonders auf Erfahrungen der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) beruht, lässt den Schluss zu, dass der einzelne Pilz mit allen seinen Wirkstoffen als Adaptogen wirkt.

Pilze sind Adaptogene

Nach zu hoher oder lang anhaltender Belastung (Stress, Umweltbedingungen) reagiert der Körper in der Regel mit Erschöpfung. Ist die Regenerationsfähigkeit eingeschränkt und die Anpassungsfähigkeit an Stresssituationen nicht mehr vorhanden, kann es zu verschiedenen Krankheiten kommen. Magen-Darm-Erkrankungen, Depressionen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und auch Immunstörungen sind oft die Folge davon, dass der Körper zu hohe Belas-tungen nicht mehr bewältigen kann.

Bei chronischer Überlastung gerät der komplexe Ablauf der Immunreaktion ins Ungleichge-wicht (Abb. 1). Belastungsfaktoren wie Stress, chronische Entzündungen, virale Infektionen, Allergien, Krebs, rheumatische Erkrankungen etc. führen zu einer gesteigerten humoralen Abwehr mit vermehrter Antikörperproduktion. Daher werden die Zytokine, die der Stimulierung der zellulären Abwehr dienen, unterdrückt. Diese eingeschränkte zelluläre Abwehr geht mit einer Vermehrung von Bakterien, Viren und Krebszellen einher - ein Circulus vitiosus, der wiederum die genannten Belastungsfaktoren begünstigt..

Abb. 1 (Quelle: eigene Darstellung, 2003)

Dieses Ungleichgewicht wird auch dadurch aufrecht erhalten, dass sich TH1 - Zellen vorübergehend in TH2 - Zellen verwandeln können, reife TH2 - Zellen sich aber nicht zurückbilden. Ein Gleichgewicht zwischen zellulärer und humoraler Abwehr ist jedoch unbedingt notwendig, damit das Abwehrsystem optimal funktionieren kann.

Eine vielversprechende Möglichkeit, das Immunsystem wieder ins Gleichgewicht zu bringen, bieten Adaptogene. Unter diesem vom russischen Arzt N. V. Lazarev geprägten Begriff werden Substanzen verstanden, die für eine Erhaltung der Leistungsfähigkeit und Widerstandskraft des Körpers auch in Stresssituationen und im Alter sorgen. In seiner Definition ist ein Adaptogen durch folgende Eigenschaften charakterisiert:

  • kein zusätzlicher Stress für den Körper
  • eine bessere Anpassung des Körpers an Umweltbelastungen, da durch die Einnahme vor allem Nerven-, Hormon- und Immunsystem (von ihnen gehen die Anpassungsreaktionen bei Stress aus) in ihrer Funktion unterstützt werden
  • eine unspezifische Wirkung auf den Körper
  • einen regulierenden Effekt: Übermäßige Immunreaktionen können verhindert bzw. ein geschwächtes Abwehrsystem angeregt werden

Eine adaptogene Wirkung wurde bei Maitake nachgewiesen: Ist die Abwehrlage TH2-dominant, kommt es durch die Einnahme von Maitake zur Förderung der zellulären Abwehr und die Umwandlung von TH1- in TH2-Zellen wird verhindert. Hier begründet sich die adaptogene Wirkung auf die enthaltenen Polysaccharide. Diese Tatsache lässt den Schluss zu, dass auch andere Pilze in der Lage sind, das Ungleichgewicht zwischen TH1- und TH2-Zellen zu verhindern.

Die spezifische Wirkung einzelner Pilze auf das Immunsystem

Cordyceps sinensis

In Studien wurde nachgewiesen, dass Cordycepin (Adenosin) ähnlich einem Antibiotikum das Wachstum von verschiedenen Clostridien verhindert, die kanzerogen wirken können. Außerdem werden Makrophagen, natürliche Killerzellen und über eine Stimulierung der Peyer´schen - Plaques das komplette Immunsystem aktiviert. Eine Stunde nach Verabreichung kommt es zu einer dosisabhängigen Erhöhung der Kortikosteroide, die bis zu 24 Stunden anhalten kann.

In der TCM wird Cordyceps eingesetzt, um das Lungen-Yin zu nähren und das Nieren-Yang zu tonisieren. Das Qi wird tonisiert, Xue erhöht und die Zirkulation von beiden wird verbes-sert. Cordyceps wirkt aufbauend bei starker Erschöpfung und in der Rekonvaleszenz nach langer Krankheit.

Coriolus versicolor

Coriolus stimuliert die zelluläre Abwehr: T - und B - Lymphozyten, Monozyten, Makrophagen, natürliche Killerzellen und auch Knochenmarkszellen werden aktiviert. Der Pilz fördert die Produktion von Antikörpern und Zytokinen (Interleukin, Interferon, Tumor-Nekrose-Faktor) und wirkt außerdem antibakteriell und antifungal bei folgenden Erregern: Escherichia coli, Staphylokokken, Streptokokken, Candida, Klebsiellen, Listerien, Toxoplasmen.
Eine antivirale Wirkung bei Zytomegalie, HIV und Herpes wurde beobachtet.
Der Einsatz von Coriolus in der Onkologie ist interessant, da einige Viren kanzerogen sind und der Pilz auch direkt auf den Tumor wirkt, indem die DNA-Synthese in Krebszellen durch Krestin (Polysaccharid-K oder PSK) gehemmt wird. Außerdem hat PSK eine antioxidative Wirkung, da SOD (Superoxyddismutase) erhöht wird.
Das proteingebundene Polysaccharid PSP stellt den Immunstatus nach Behandlung mit Zytostatika wieder her: Es kommt zur Proliferation von natürlichen Killerzellen und Lymphozyten. Ebenso können die durch Bestrahlung auftretenden Nebenwirkungen an den Schleimhäuten und im Knochenmark durch die Einnahme von Coriolus vermindert werden.

Die TCM verwendet Coriolus zur Stärkung von Milz, Herz und Leber sowie zur Ausleitung von Hitze und Toxinen.

Reishi

Reishi wirkt besonders stärkend auf das Immunsystem. Diese Eigenschaft wirkt sich auf eine Vielzahl von Krankheiten aus, die dem Pilz im Chinesischen den Namen gibt: Ling Zhi - Pflanze der Unsterblichkeit. Wie bereits bei Cordyceps und Coriolus beschrieben, wirken auch hier die Polysaccharide direkt auf die zelluläre und humorale Abwehr.
Die im Reishi enthaltenen Triterpene sind die wichtigsten Inhaltstoffe bezüglich der pharmazeutischen Wirkung: Sie verhindern die Freisetzung von Histamin.
Bei Reishi wurde ein direkter antiviraler Effekt auf den Herpes simplex Virus nachgewiesen: Die Bindung an die Wirtszelle und das Eindringen werden verhindert.
Wird dieser Pilz vor oder nach einer Bestrahlung (Röntgenstrahlen) eingenommen, kommt es zu einer schnelleren Wiederherstellung der ursprünglichen Leukozyten-, Erythrozyten- und Thrombozytenspiegel. Bewährt hat sich sein Einsatz bei Entzündungen, Allergien der Atemwege und Beeinträchtigung der Leberfunktion.

In der TCM wird dieser Pilz als Tonikum und Sedativum sehr hoch geschätzt, da er auf Milz, Leber, Lunge, Herz und Niere wirkt. Reishi tonisiert Qi und Xue, nährt das Blut und bewegt Toxine.

Agaricus blazei murill (ABM)

Durch die Einnahme von ABM kommt es zu einer Vermehrung und Differenzierung von T-Zellen, Makrophagen und Monozyten und somit auch zu einer gesteigerten humoralen Abwehr mit vermehrter Ausschüttung von IgM und IgG. Durch Studien belegt, kann eine Hyperreaktion der Abwehr jedoch ausgeschlossenen werden.

Der ABM hat einen besonders hohen Gehalt an Beta-1,6-Glukan (auch D-Fraktion genannt), dem wirkungsvollsten Polysaccharid. Dies erklärt seine starke Wirkung auf das Immunsystem. Inzwischen hat sich sein Einsatz in der Onkologie bewährt. Hier wirkt sich besonders erfreulich aus, dass Nebenwirkungen von Chemotherapie und Bestrahlung vermindert werden können, da der ABM die Leber in ihrer Funktion unterstützt und die Blutbildung im Knochenmark fördert.

Maitake

Maitake fördert die zelluläre Abwehr (TH1-Reaktion, s.o.) über eine vermehrte Ausschüttung von Interferon, Interleukin12 und 18. Im Fall einer TH2-dominanten Abwehrlage wird außerdem die Bildung von Interleukin 4 gehemmt und die Umwandlung von TH1- in TH2-Zellen verhindert.
Auch Maitake enthält vergleichbar ABM die D-Fraktion, allerdings in geringerer Konzentration. Er wird hauptsächlich in der Onkologie zur Immuntherapie eingesetzt, und um Nebenwirkungen der Chemotherapie zu reduzieren.

Die Ausführungen zeigen, dass sich die Wirkungen von Pilzen auf verschiedenen Wegen erklären und beschreiben lassen. Studien über die Wirkmechanismen der verschiedenen Inhaltsstoffe werden durch das traditionelle Wissen aus der chinesischen Medizin ergänzt. Sie gibt uns den Hinweis darauf, dass Pilze als Adaptogen wirken, wenn nicht nur ein einzelner Wirkstoff, sondern der ganze Pilz verabreicht wird. Führen wir die verschiedenen Ansätze zusammen, wird die komplexe Wirkungsweise der Pilze verständlicher.

Autorin: Cathrin Spuck Naturheilpraktikerin

Literatur

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• Lelley, J.: Die Heilkraft der Pilze. GAMU, Krefeld, 2003.
• Jong-Ho Koh, Kwang-Won Yu, Hyung-Joo Suh, Yang-Moon Choi, Tae-Seok Ahn: Activa-tion of Macrophages and the Intestinal Immunsystem by an Orally Administered Decoc-tion from Cultured Mycelia of Cordyceps sinensis. Biosci. Biotechnol. Biochem., 66 (2), 407-411, 2002.
• Kevin K.W. Chu, Susan S.S. Ho, Albert H.L. Chow: Coriolus versicolor - A Medicinal Mushroom with Promising Immunotherapeutic Values. J Clin Pharmacol 2002, 42: 976-984.
• Atsuyuki Inoue, Noriko Kodama, Hiroaki Nanba: Effect of Maitake (Grifola frondosa) D-Fraction on the Control of the T-Lymph Node Th-1/Th-2 Proportion. Biol. Pharm. Bull. 25(4) 536-540 (2002).
• Hiroshi Koda,…: The Biologically Active Constituents of Ganoderma lucidum (Fr.) Karst. Histamine Release - Inhibitory Triterpenes. Chem. Pharm. Bull., 33(4), 1367-1374 (1985).
• Nakajima A., Ishida T., …:Effect of hot water extract fromAgaricus blazei Murill on anti-body-producing cells in mice. Int. Immunopharmacology 2 (2002) 1205-1211.

 
   

 

   

 
 
 
   
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